Noras Welt: Warum ich nicht glaube, dass KI mich arbeitslos macht

Meine Arbeit besteht darin, über technische Neuerungen der Automatisierungswelt zu berichten. Über viele spannende und innovative Themen haben meine Kollegen und ich in den letzten Jahren geschrieben. Aber eine Beobachtung zieht sich für mich durch: Es dauert immer deutlich länger als man auf Anhieb denkt, bis eine gehypte Neuheit in der Alltagspraxis Fuß fasst. Meistens kommt es dann auch anders als man vorab dachte. Und: Innovationen sind immer nur so schlau, wie die Menschen, die sie implementieren.  

Nachvollziehbar wird das vielleicht am ehesten mit einem Alltagserlebnis. An einem Sonntagvormittag saß ich in unsrer Straßenbahn und fuhr durch eine weiß beschneite Winterlandschaft. Ein seltener Anblick im nördlichen Landkreis Karlsruhe. Da wandert mein Blick auf die digitale Anzeige in der Straßenbahn und ich lese:  

Mähen Sie Ihren Rasen nur alle vier statt alle zwei Wochen, das spart Zeit und Energie. 

Ich stutze und das hat eine Vorgeschichte: Vor mehr als einem Jahrzehnt habe ich in einem Beitrag über die Vorzüge von Digital Signage geschrieben, also die zentrale Verteilung multimedialer Inhalte für Werbung beispielsweise über Displays und Bildschirme direkt am Point of Sale. Damals erklärte mir der technische Ansprechpartner bei unserem Kunden, wie fantastisch das sei, dass man damit individuell angepasste Werbung direkt zum Anwender bringen kann. Wir stellten uns das damals so vor, dass wir nun künftig durch die Stadt gehen und dabei von Kameras überwacht werden. Eine KI wertet dann die Bilder aus: “Die sieht sehr müde aus.” Just erscheint auf dem nächsten Display, das wir passieren, Werbung für das Café um die Ecke. Schöne (?) neue Welt. So viele Möglichkeiten. Was wurde daraus? Ein Rasenmäh-Tipp im Januar, während draußen der einzige Schnee des Jahres liegt! 

Harter Aufprall auf dem Boden der Tatsachen 

Diese Erfahrung lässt mich ziemlich hart auf dem Boden der Realität aufprallen und ich begreife wieder einmal: Jede Technik ist letzten Endes immer noch nur so gut wie die Menschen, die sie implementieren. Über dieses Erlebnis schreibe ich mitten im Hype um Chat GPT. Gerade letzte Woche wollte mir ein Podcast weismachen, dass mein Job als Technikjournalistin nun massiv gefährdet sei. Ich denk: Ach ja, so wie uns die Roboter alle arbeitslos gemacht haben. Ich habe gerade eine Reportage über eine schöne Anwendung geschrieben, bei der Mensch und Roboter Hand in Hand arbeiten und Roboter ein wichtiger Unterstützer beim Kampf gegen den Fachkräftemangel wird. Das, mein Digital-Signage-Erlebnis und viele ähnliche, die ich in den letzten Jahren hatte, stimmen mich optimistisch, dass mir so bald keine KI meine Arbeit wegnimmt. Ich stelle mir eher vor, dass sie mir das Leben erleichtert und hilft, meine Ergebnisse zu optimieren, sprachlich ein wenig “pimpt”. Nennen Sie mich naiv, aber ich kann den Hype und die Angstmache um Chat GPT und künstliche Intelligenz im Allgemeinen nicht so ganz mitgehen. Vielleicht belehrt mich aber dieses Mal die Zukunft eines Besseren. Was meinen Sie?  

Nora Crocoll

Hat Technische Redaktion studiert und arbeitet seit 2005 als freie Technik-Journalistin für das rbs. Ihre langjährigen Erfahrungen im Bereich der Pressearbeit für die Automatisierungsbranche hat sie im Praxisbuch "Wirkungsvolle Produkt-PR: Einblicke in die Welt der Fachpresse" zusammengefasst.

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