Mutig löschen
Wer einen Text schreibt, investiert Zeit und Kreativität. Manchmal gleicht das Schreiben auch einer „schweren Geburt“. Dabei gewinnt man sein „Kind“ so lieb, dass Änderungen kaum vorstellbar sind. Ganze Textzeilen löschen? Unmöglich!
Mit einer guten Einleitung ist oft schon der schwierigste Teil eines Textes geschafft. Man hat nicht mehr mit der größten Angst eines Autors zu kämpfen: dem leeren Blatt Papier. Und vielmehr noch, eine gute Einleitung strukturiert den gesamten Text, sie gibt den roten Faden, die Richtung, das Ziel vor.
Weg damit
Neulich passierte mir Folgendes: Mein Text war fertig, aber viel zu lang. Kennen Sie das? Wo sollte ich also kürzen? Der nächste Blick zeigte mir: Die Einleitung war zwar nett, aber der Text funktionierte auch ohne, wurde dadurch sogar griffiger, kam schneller zum Punkt. Was tun? Na, weg damit. Fällt zugegebenermaßen auch einem Profi nicht ganz leicht, aber ich versuchte es: Neue Textversion ohne die Einleitung erstellen und einen Erstleser suchen. Mal schauen, ob der Text so wirklich noch funktioniert. Die Kollegin bemerkte nichts vom Fehlen der Einleitung. Auch nicht, als ich sie explizit darauf ansprach.
Einlagern für „schlechte Zeiten“
Das Ziel beim Schreiben eines Textes ist es ja nicht, mich selbst zu verwirklichen, sondern Informationen an den Leser zu bringen und das so prägnant wie möglich. Deshalb will ich an dieser Stelle ermutigen: Halten Sie nicht stur an Formulierungen fest, wenn der Text auch ohne funktioniert. Wenn ich meinen Leser damit aufhalte, dann ist die Delete-Taste die richtige Lösung.
Richtig gute Gedanken oder Formulierungen, die im Moment aber nicht notwendig sind, kann man ja auch „einlagern“ in einem Ideenpool für Formulierungen. Meine Einleitung zum Beispiel habe ich auch erst einmal aufgehoben für den Fall, dass die Kollegin sagt: „Der Text fängt aber ziemlich unvermittelt an.“
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